Zusammenfassung

Das soziale Net(t)working wird durch soziales Targeting ergänzt und in Gesten gegossen. Eine einzige unbedeutende Geste genügt, um sich aufzuwerten und in den Olymp der offensichtlich Erfolgreichen zu bringen ...

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Gesten

Küsschen, Küsschen! – Der Schleim trieft von der rechten und der linken Wange des Opfers, das sich nicht so richtig erwehren kann. Sehr wohl aber ahnt das Opfer, dass es gerade missbraucht wird, missbraucht um einen vermeintlichen sozialen Status in ein paar wenige unbedeutende Gesten zu gießen und glaubhaft zu machen.

Küsschen, Küsschen! – Das ist der Schlüssel für die Tür, die in die Welt der offensichtlich sozial Erfolgreichen führt. Sozialer und wirtschaftlicher Erfolg gehen schließlich Hand in Hand! Küsschen, Küsschen ist die elementare Grundlage für viele erfolgreiche Netzwerke und Seilschaften. Küsschen, Küsschen verbindet die offensichtlich Erfolgreichen an der schleimtriefenden Oberfläche und wer dazu gehören will, der macht mit.

Vorteilserwartungen

Dabei meint „Küsschen, Küsschen“ selten den Empfänger jener Geste, also das Opfer. Im Gegenteil: Der Täter will meistens ein wenig des Ansehens vom Opfer erben und seine Zielgruppenansprache vorbereiten. Die Geste ist nur ein praktischer Weg, um sich selbst aufzuwerten, – aufzuwerten in einem bestimmten Umfeld, das im Net(t)working neudeutsch die „Target Group“ genannt und sehr zielorientiert ausgewählt wird. Küsschen, Küsschen sucht meistens den Betrachter im Umfeld der Geste. Der Betrachter der Geste soll glauben gemacht werden, die Geste wäre ein Zeichen für soziale Bindung, – nein, viel mehr noch – für wirtschaftlichen Erfolg und Verbindlichkeit.

Meistens aber ist heute genau das Gegenteil der Fall: Die, die das Küsschen, Küsschen als erste praktizieren, sind oft Vorteilsjäger und egoman. Sie sind nur so lange die besten Freunde, wie sie sich einen Vorteil daraus versprechen und sie werden von einem auf den nächsten Augenblick zum schlimmsten Feind, wenn es ihnen den größeren Vorteil verspricht.

Auszeichnung

Küsschen, Küsschen ist deshalb eine der großen Volkskrankheiten dieser Tage. Küsschen, Küsschen kennzeichnet eine Gesellschaft, die nur noch auf der Grundlage von Vorteilserwartungen und oberflächlichen Signalen funktioniert, dabei aber jede Verbindlichkeit deutlich ablehnt.

Küsschen, Küsschen ist eine Auszeichnung für die Menschen, die diese Geste lieben und gerne ständig und überall praktizieren, um andere und schließlich auch sich selbst hinweg zu täuschen über die bittere Realität des menschlichen Sozialverhaltens, das in Oberflächlichkeit zu erstarren droht.

Target, Täter oder Opfer?

Wenn ich der Zeuge oder das Opfer dieser Geste bin, dann bleibt mir nur immer der schale Geschmack von vielen Fragen: Wer zeichnet hier wen aus – und warum? Und was hab ich damit zu tun?

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