Zusammenfassung

Wer für seine Reise die Überholspur wählt, der sollte ihre Regeln kennen, akzeptieren und beherrschen, denn Fehler sind hier sicher tödlich.

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(Über Leben auf der Überholspur)

Hundert Stundenkilometer! – Das Auto frisst sich auf der Autobahn träge in die Landschaft. Es sucht einen Ausweg aus der Blech-Kolonne.

Der Fahrer legt eine Musikkassette ein.

Als der LKW vor ihm endlich die Fahrspur und den Blick auf den Horizont frei gibt, entdeckt der Fahrer den Sonnenuntergang. Das Auge signalisiert dem Stammhirn „Freiheit“. Durch die Musik enthemmt, sucht der Fahrer dem Horizont näher zu kommen.

Schneller und immer schneller findet seine Seele Befriedigung und beherrscht mehr und immer mehr das Gaspedal.

Der Horizont bleibt fern, – zum Glück. Nur das Fühlen erscheint befreit, – einen kurzen Augenblick lang, ein kurzes Stück seines Weges.

Mit einhundertsiebzig und der richtigen Musik durchfliegt er dann dieses herrliche Tal im Sonnenuntergang und er sagt zu sich: „Ja, dafür ist Leben da“. Plötzlich will er halten, bleiben, einen Augenblick verweilen, den Ausblick genießen. Er will die Welt, diese Sekunde, das Leben vollständig empfangen, jetzt! Er will sich selbst einen ganzen Augenblick zum Geschenk machen und zwar diesen und jetzt und hier und er will bremsen, – auf der Überholspur, bei zweihundertzehn.

Doch das Leben ist schneller vorbei, als genossen.

Einen glücklichen Atemzug lang verzögert er den Tritt auf das Bremspedal und rechtzeitig erinnert er sich an die Gebote, die das Überleben auf der Überholspur ermöglichen:

Die beschleunigte Seele findet Befriedigung solange sie das Gaspedal beherrscht und den Horizont nicht erreicht.

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