Existenzieller Widerspruch
20 Juni 2012
Einsicht von Carlo Fisch in Globalisierung, Philosophie, Werte und Normen
94 Worte
≈ 2 Kommentare
Zusammenfassung
Würde der Reichtum der Erde anders verteilt, dann hätte die Gier keine Nahrung mehr ...
Schlagworte
Armut, Gedicht, Gier, Hunger, Menscheit, Menschenordnung, Reichtum, Weltordnung

Die Menschenwelt ist so reich, wie noch nie.
Sie ist reich
an Wissen und Erfindungsgeist,
reich an Rohstoffen und an Gütern.
Die Menschen sind so produktiv, wie noch nie.
Sie produzieren ständig
mehr Wissen und mehr Informationen,
mehr Güter und mehr Menschen.
Die Menschenmenge ist so groß, wie noch nie.
Sie ist ohne Bildung,
ohne Einfluss und Perspektive,
aber gierig.
Die Menschenwelt ist so gierig
und zugleich
so hungrig
wie noch nie.
Meistens ist der Hunger
ein Ergebnis der Gier.
Allerdings sind die,
die gierig sind,
selten auch die,
die hungern.

2 Kommentare
23. Juni 2012 um 20:07 Uhr
Gut gemeint,Carlo! Aber das Durcheinander der Begriffe bleibt beim Gefühlten. Die Gleichsetzung von M-welt und M-menge. Die Menschen produzieren immer mehr Wissen,Information usw. – ohne Bildung, Einflluß, Perspektive. Ist Bildung hier als Gegensatz zu Produzieren gemeint?
Die M-welt gierig und hungrig zugleich, das verwischt jeden Klassengegensatz. Erst die böse Erfahrung des Hungers will vorsorgen, kann krankhaft zu Gier ausufern. Das kann m.E. auch in Bezug auf Information und Wissen zutreffen.
In der Klarheit liegt die Wahrheit, hier muß ich danach suchen. max
24. Juni 2012 um 16:41 Uhr
Hallo Max,
vielen Dank für Deine kritischen Anmerkungen. Ich näherte mich dem Thema in diesem Fall tatsächlich kurz entschlossen und emotionalisiert, nachdem ich im N-TV eine Börsenbroker-Werbung in direktem Anschluss an eine Werbung von „Save The Children“ gesehen hatte.
Mit mehr Ratio könnte das Thema vielleicht auch anders und schärfer fokussiert werden: Der Mensch in der reichen Menschenwelt ist so produktiv, so gierig und so hungrig wie noch nie – und das zur selben Zeit! Es braucht in unserer Zeit eben nicht mehr die Erfahrung des Hungers, um dessen Folgen in jedem Extrem zu beobachten und absehen zu können und vermeiden zu wollen. Es braucht heutzutage nur noch offene Augen!
Diese Welt arbeitet in ihren von Menschen aktuell geschaffenen Systemen zu einem erheblichen Teil nur noch automotorisch. Zu komplex sind die vom Menschen in vielen kleinen Schritten, nach und nach geschaffenen globalen Wirkungszusammenhänge, um von Menschen noch sinnvoll gesteuert werden zu können. Das Megamodell der Welt wird in den Köpfen der Menschen deshalb reduziert auf die simplen und beherrschbaren Größen „Haben“ und „Nicht-Haben“. Wo auch immer ich hin schaue da sind auch die Menschen mit Bildung und mit Einfluss ohne Perspektive, denn es fehlt ihnen das Bewusstsein und die Achtung vor den menschlichen Grenzen.
Hunger und Gier lassen sich sicher in jedem Menschen finden. Und dabei wird es vermutlich keine Klassenunterschiede geben. Hunger und Gier sind aber auch bei benachbarten Menschen in fataler Koexistenz zu beobachten und vor allem in direkter Abhängigkeit. Wenn die Gier der einen Menschen die Ursache für den Hunger der anderen Menschen ist, dann fehlt bei einigen Menschen die Nahrung und bei anderen das Mitgefühl. Dass das überhaupt so möglich ist, das stellt unsere Menschenordnung und unsere Weltordnung insgesamt grundsätzlich in Frage.
Wenn ich mir an dieser Stelle den Begriff „Weltordnung“ zu Eigen mache, dann fällt mir sofort Altkanzler Helmut Schmidt ein, der der Ansicht ist, dass es niemals eine Weltordnung gab, und der daran zweifelt, dass es jemals so etwas geben kann. Ich denke, mit der Globaliserung hat der Mensch die Büchse der Pandora geöffnet und er wird sie nur dann wieder schließen können, wenn er sich auf die Werte und Tugenden in der Gemeinde und in der Region besinnt, diese nutzt und diese fördert. In solchen Größenordnungen ist das Mitgefühl als gesellschaftlicher Wertmaßstab leicht zu etablieren und zu leben und die Gier ebenso leicht zu bekämpfen.
Hätte ich meinen kleinen Text mit einem Appell abschließen wollen, dann hätte er vielleicht die folgenden Worte gefunden:
die gierig sind
und verhindert ihr Handeln,
so wird der Hunger sicher vergehen
und im Mitgefühl sich wandeln.
Lieber Max, vielen Dank nochmals für Deine anregenden kritischen Anmerkungen. Die vielen Aspekte der wenigen Worte können nur selten die Klarheit erreichen, die sich jeder Leser wünscht, denn es gibt letztlich nur eine einzige Wahrheit und diese hat jeder Mensch ganz alleine nur für sich. Wenn so wenige Worte etwas leisten können, dann uns bewegen und anregen, uns einem Thema erneut und vielleicht auf neue Weise zu nähern. – Das scheint diesen wenigen Worte gelungen zu sein.
Gerne werde ich wieder von Dir lesen.
Beste Grüße,
Carlo