Zusammenfassung

Gibt es die unendlichen Weiten der Ganzheit oder bestimmt sich Ganzheit eher durch ihre klaren und engen Grenzen? Wann sind wir ganzheitlich und ist das gesund?

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Bitte einmal die Ganzheit bestimmen

Was ist die Ganzheit? Ist die Ganzheit besonders vollständig oder ist sie nur die Variation einer Halbheit? Besteht die Ganzheit vielleicht aus zwei Halbheiten und bleibt deshalb ewig unvollständig? Gibt es die unendlichen Weiten der Ganzheit oder bestimmt sie sich eher durch ihre klaren und engen Grenzen?

Ganzheit, das bedeutet „[…] im physischen wie auch im moralischen Sinn Integrität, eigentliche Bestimmung und Vollkommenheit“, lesen wir bei Wikipedia. „Ganzheitlichkeit ist die Betrachtung aller Teile einer Sache sowie der Gesamtheit ihrer Eigenschaften und Beziehungen“, lesen wir woanders. Aber wenn ich auf eine Ganzheit blicke, ist mein Blick dann ganzheitlich? Erhalte ich ganzheitlich den Überblick oder geht er mir ganzheitlich eher gänzlich verloren?

Fragen über Fragen und vage bleiben alle versuchten Antworten. Dennoch verliert das Wort schon länger nichts von seinem modischen Schick! So nichtssagend wie frech springt es uns ständig durch unsere Augen oder durch unser Gehör mitten in unser Hirn, will sich dort breit machen und wird doch sofort abgewickelt als sinnfreie Worthülse. Und dennoch können die Werbetexter das Wort nicht lassen:

Der Anbieter von „ganzheitlichen Lösungen“ gewinnt keine umfassende Kompetenz in allen Aspekten einer Aufgabenstellung, nur weil er diese Worthülse quält. – Ganz im Gegenteil!

Wer Worthülsen zentriert, der weiß zentrale Aspekte nicht in Worte zu fassen.

Ist der Grund dafür Unwissenheit, Halbheit oder gar Betrug?

Ganzheiten werden meist beschworen im Zusammenhang mit großen und komplexen Aufgaben. Unvollendet bleiben aber gerade hier alle „ganzheitlichen Konzepte“, denn wer kennt schon die Gänze der Welt, geschweige die Gänze ihrer Facetten in einer komplexen Aufgabe? So wird „Ganzheitlichkeit“ sehr oft zu einem frühen Signal für unvollendete Arbeiten, für ein leicht zu erwartendes Scheitern gegenüber einem „großen Ganzen“ und auch immer zu einer willkommenen Begründung für ewig unvollständige Arbeitsergebnisse.

Ganzheitliche Betrachtungen führen oft zu interpretationsfähigen Halbheiten.

So heimelig für viele Wortwerker die Gänze der Ganzheit erscheinen mag, so gänzlich unheimlich ist mir dieses Wortmonster. Wann immer ich es treffe, wann immer es mich anspringt ahne ich Betrug, Halbheit und Selbstüberschätzung. Wann immer mich dieses Wort anspringt überfällt mich meist der letzte Urinstinkt im modernen Menschen, der mich zur sofortigen Flucht drängt. Den Redner dieses Wortes muss ich verlassen, die Seite, die mit diesem Wort bedruckt wurde, muss umgeblättert sein, wenn ich mein Wohlbefinden wiederfinden will.

Manche Worte können quälend sein!
 

 

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