Coronademie
15 Januar 2021
Einsicht von Carlo Fisch in Demokratie, Gesellschaftsordnung, Politik, Soziales Leben, Werte und Normen
1392 Worte
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Zusammenfassung
Die Coronademie raubt uns erst den Überblick, dann die Vernunft und zum Schluss jede Verantwortung. Die "neue Realität" entsteht dabei aus den alten Krankheiten unserer menschlichen Ordnungen. Lesen Sie hier, wie die Entartung des Rechtsstaates und die Entartung der Demokratie durch die „Coronademie“ beschleunigt werden: Ein weiterer Aspekt der Corona-Krise als Katastrophe für die ganze Menschheit ...
Schlagworte
Automotorik, Bürokratie, Corona-Virus, Covid-19, Demokratie, Demokratie-Krise, Rechtsstaat, Regeln, Verantwortung, Vernunft, Zukunftsfähigkeit
Das Corona-Virus verleiht vielen alten Krankheiten eine neue Relevanz. Es macht längst überwunden geglaubte Erkrankungen erneut sichtbar und erneut wirksam, es macht alte Krankheiten, die längst überwunden und geheilt schienen, plötzlich zu einem ausschlaggebenden Faktor für das Überleben mit der Infektion. Das können wir bei jedem einzelnen erkrankten Menschen beobachten und genau so auch bei den Gesellschafts- und Staatsorganisationen der ganzen Menschenwelt.
Die versteckten Krankheiten unserer menschlichen Organisationen werden durch das Virus plötzlich für jeden Menschen sichtbar und dabei zugleich erschreckend und bedrohlich. Auf diese Weise findet sich jedes einzelne, individuelle Leid in einem großen Tiegel des kollektiven Versagens und jeder Mensch findet dabei sehr viel Grund, sich verloren und verraten zu fühlen. Lesen Sie hier, wie die Entartung des Rechtsstaates und die Entartung der Demokratie durch die „Coronademie“ beschleunigt werden: Ein weiterer Aspekt der Corona-Krise als Katastrophe für die ganze Menschheit.
Als das Virus die Menschen fand
Als das Virus die Menschen fand, um sich vermehren zu lassen, da brach über die gesamte Menschheit nicht nur eine Krankheit herein, die viele Menschenleben beschwerte und viele Menschenleben vorzeitig beendete. Nein, es begann auch eine neue Zeit, eine neue Realität, die durch die Menge der neuen Regeln gekennzeichnet war, deren Sinn kein vernünftiger Mensch mehr verstehen konnte, die aber dennoch überall als die Gebote einer neuen Weltordnung und Religion verbreitet wurden.
Als der Virus die Menschen fand, hatte die Bürokratisierung der Demokratie schon einige Zeit lang, einer schleichenden Krankheit gleich, die Demokratien der Erde befallen und ihre Fundamente untergraben. Nun übertrug sich auch noch das Ungewisse und Neue des Virus, das Lebensbedrohliche und Unselige des Virus in die Gehirne der Menschen. Diese Entwicklung wurde zu einer selbständigen Bedrohung für jede menschliche Vernunft, völlig unabhängig vom Virus. Der pandemische Verlust jeder Vernunft wurde beschleunigt durch die Bürokratisierung der demokratischen Ordnungen. Diese „Coronademie der Vernunft“ fügte den Menschen und ihrer Lebensweise sehr bald genau so viel Schaden zu, wie der scheinbar ursächliche Virus am Anfang der unsäglichen Entwicklungen unserer Tage.
Ursachenforschung
Die Ursache für die Schäden des Virus war für jeden Menschen leicht erkennbar und sie war verhältnismäßig leicht zu bekämpfen. Die „Coronademie der Vernunft“ aber vollzog sich schleichend und die Menschen gewöhnten sich sehr bald daran. Die Pressearbeiter, die Politiker, die Wissenschaftler und die Beamten waren sich unbewusst einig, als die Coronademie über die Menschheit hereinbrach. Sie alle konnten vom Virus profitieren, wenn sie den Virus als Ursache für längst nötige Veränderungen zu nutzen verstanden. Plötzlich schienen Veränderungen möglich, die vor allem aus der Perspektive der eigenen Interessengemeinschaft heraus schon lange nötig erschienen. Die Lobbyisten der Medien, der Politik, der Wissenschaft und der Beamten schufen in blindem Aktionismus unter größtem Zeitdruck die „Coronademie“, die nun unsere neue Realität gestalten sollte.
Als die Coronademie ausbrach, fiel die Bürokratie über den Rechtsstaat her und vergrößerte die Zahl der Regeln so sehr, dass es die Demokratie erstickte und kein Mensch mehr ein Entrinnen finden konnte. Die Bürokraten der Verwaltung, die Bürokraten der politischen Parteien und der Lobbyvereine, – sie brachten sich ungehindert in die Gestaltung der „neuen Realität“ ein.
Automotorisch hatte sich der Regelapparat im Gewand der exekutiven Beamten reproduziert, während die politische Elite erst einmal Jura studierte, um anschließend in der Partei zu dienen, bis irgendwann irgendein öffentliches Amt zu besetzen war. Die politische Elite des Landes übernahm dann mit parteipolitischen Flausen im Kopf jene Verantwortung, die kein einziger Beamter mehr zu tragen gewillt war, – und scheiterte. Politik war schleichend zum Lendenschurz der Bürokratie mutiert, lange bevor das Virus die Menschen fand.
Nun aber entwickelte jene schleichend entstandene Situation eine unglaubliche Eigendynamik. In der Coronademie hat die Bürokratie die Demokratie vollständig abgelöst. Es spielt keine Rolle mehr, wer regiert. Jede Regierungsarbeit wird von Beamten (und Wissenschaftlern) dominiert, die als Spezialisten ohne jedes öffentliches Mandat und ohne prüfbare Verantwortung handeln, ausschließlich zum Nutzen der eigenen Werte- und Ordnungsvorstellungen. Und weil Mangel herrscht an qualifizierten Spezialisten im Amt, werden sie nie ausgetauscht. Jede Regierungsarbeit wird von den selben Spezialisten dominiert.
Die bürokratische Anarchie
Die Coronademie ist der Vorbote der bürokratischen Anarchie. Die bürokratische Anarchie kommt schleichend. Zuerst zeigt sie sich als vorauseilender Gehorsam, dem in Zeiten der Not die Führung gerne folgt, weil Führung träge sein muss, wenn sie demokratischen Regeln folgen will. Dann unterschreibt der Beamte keine Briefe mehr und lehnt jede Verantwortung ab, für seine Bescheide und Dekrete. Dann interpretiert der Beamte Gesetze und Ordnungen neu im Rahmen von Ausführungsregeln und internen Vorschriften, die er sich selbst schafft und gegen die es keinen wirksamen Rechtsweg mehr gibt.
Die Gerichte finden jeden zweiten Brief der öffentlichen Hand an die Bürger fehlerbehaftet. Aber kein Mensch erkennt die Systematik der Reproduktionsmechanismen, die dafür verantwortlich sind. Die Gerichte sind überlastet und die Bürokraten machen ungehindert weiter. Medienwirksam wird regelmäßig ein einzelner neuer Skandal öffentlich, der eigentlich stellvertretend für hunderte und tausende ähnlicher Fälle steht, diese aber nur vernebelt und unkenntlich macht.
Die Coronademie machte das Fiasko, das da seit Jahren unmerklich in unserer Gesellschaft gewachsen ist, für einen Augenblick nur etwas sichtbarer. Die Wurzeln des Problems aber sind in unserem System bereits fest verankert. Die Aufmerksamkeit der Menschen ist schnell verflogen. Die Menschen sorgen sich um das eigene Wohlergehen und die eigene Gesundheit. Sie können deshalb die existenzielle Bedrohung ihrer Lebensart nicht erkennen, die aus der Coronademie und der bürokratischen Anarchie wächst.
Gäbe es einen verantwortlichen Regenten, der das Problem personifiziert, einen Regenten, der dem Problem einen Namen und ein Bild gibt, dann wäre das Problem leicht zu bekämpfen. Das Problem aber versteckt sich im Mantel staatserhaltender Leistungen und alternativloser Regeln im Zentrum unserer Staats-, Werte- und Denksysteme.
Ein solches Problem ist viel schwerer zu bekämpfen.
Haben Sie Ihren Abgeordneten einmal gefragt, was er denkt, die Staatsziele im Deutschland bundesrepublikanischer Prägung sind? Haben Sie Ihren Abgeordneten einmal gefragt, ob er glaubt, dass die Entscheidungen der letzten Jahre tatsächlich geeignet waren, diese Staatsziele zu erreichen.
Welche Staatsziele werden wohl verfolgt, wenn die unvermögenden Durchschnittsbürger in prekäre Lebensbedingungen gestoßen werden, während die vermögende Oberschicht weiter ihren Zinsgewinn einsammelt? Wem helfen die aktuellen staatlichen Mietzuschüsse wohl mehr: den vielen produktiven Mietern oder den wenigen unproduktiven Vermietern?
Fragen Sie Ihren Abgeordneten doch einmal, welche Staatsziele verfolgt werden, wenn die Staatskredite aus der Corona-Krise in höchstens 10 Jahren zurück gezahlt sein sollen (gemeinsamer Tenor von Armin Laschet, Markus Söder und Peter Altmaier). Wen wird dieses Ziel wieviel kosten? Schaffen wir nun die staatlichen deutschen Schulen vollständig ab, um noch ein paar Kreuzer für die Unterstützung von ein paar Koranschulen zu erhalten, damit wir nicht in Ungnade fallen bei den 5% arabischen Mitbürgern und bei deren Herrschern, wie Erdogan und Salman ibn Abd al-Aziz?
Welche Staatsziele werden unter den Bedingungen der maximalen Sparsamkeit, die offenkundig in den nächsten Jahren auf uns warten, Priorität erhalten: Militär und europäische Integration oder Bildung, Grundversorgung und Forschung?
Der deutsche Wähler wird darüber keine Entscheidung erhalten, denn alle Parteien sind gleicher Maßen Opfer der Coronademie und bürokratischen Anarchie. Ein paar Parteidiener, Juristen und Bürokraten werden das wohl für uns regeln, wenn der Bürger nichts dagegen tut.
Es gab einmal eine Zeit – und sie ist noch gar nicht so lange vorbei – da war die Anarchie als Schreckgespenst der „bürgerlichen Mitte“ im linken politischen Lager verortet. Die Anarchie war sozialistisch und kommunistisch, sie war rot und bärtig, sie war ein leicht zu identifizierendes Feindbild und sie war als scharfe publizistische Waffe von Franz Josef Strauß und Axel Springer über den Köpfen des deutschen Michels beschworen. Diese historische Vorstellung von der Realität einer Anarchie erscheint uns heute naiv und lächerlich, wenn wir der Willkür und der Selbstgenügsamkeit unserer Bürokraten in der Coronademie begegnen.
Seid wachsam und bleibt gesund, sonst frisst eure Kinder ein Bürokrat im Finanzamt, während ihr für eine Corona-Maske aus der Apotheke in einer Schlange auf der Straße ansteht!