Über die GlotzBox
Die GlotzBox ist das Ergebnis einer fixen Idee. Sie dient zunächst nur mir, um eine alte buddhistische Übung mit neuen Mitteln zu betreiben. Unsere Unwissenheit und das Nichtverstehen sind laut Buddha die Ursachen allen Leidens. Unser ungeübter Geist ist unfähig wahrzunehmen, dass Seher, Gesehenes und Sehen sich gegenseitig bedingen. Die wahren Zusammenhänge verschleiern sich uns deshalb.(*1) Eine alte buddhistische Übung, die zugleich auch die Grundlage meiner schriftstellerischen Ergüsse in diesem Blog liefert, wird in einem Prozess durchgeführt, der grob drei Phasen hat:
- Das neutrale Sehen
In der ersten Phase der Übung wird die neutrale Beobachtung geübt. Dabei sollen von einem Ding, von einem Ereignis oder einem Zustand so viele Eigenschaften wie möglich aufgenommen werden, ohne sie zu benennen. Einer Kamera vergleichbar sollen die Eigenschaften verinnerlicht werden, ohne sie z.B. durch die Vergabe von Namen zu bewerten. Die Texte, die vornehmlich die so gewonnen Aspekte verarbeiten, sind meist prosaisch, manchmal aber auch lyrisch und werden in der Beitragsliste unter dem Menüpunkt „Ansichten“ gesammelt.
- Das Reflektieren über das Gesehene (mit dem Ziel des Verstehens)
Wir Menschen neigen dazu, die Welt in Innenwelt (ich) und Außenwelt (du) zu teilen. Dabei vergessen wir jedoch all zu schnell, dass sich beide Welten gegenseitig bedingen und gestalten und im Grunde Eins sind. In dem Augenblick, in dem ich einem Ding einen Namen gebe, habe ich meine Neutralität verloren und mit dem Verlust der Neutralität sind die Entwicklungsmöglichkeiten des Erkenntnisprozesses eingeschränkt. In der zweiten Phase der Übung sollen deshalb die Namen und Emotionen reflektiert werden, die bei der Rekonstruktion der Beobachtungen entstehen. Es entsteht ein unabhängiges Bewusstsein, das die Grundlage echter Erkenntnis ist. Die Texte, die aus der zweiten Phase der Übung heraus entstehen, werden in der Beitragsliste unter dem Menüpunkt „Einsichten“ gesammelt.
- Die Erkenntnisüberprüfung
Die Erkenntnisüberprüfung sucht den bewussten Vergleich und die Übertragung. Diese weniger buddhistische als wissenschaftliche Phase ist mehr dem Medium „Blog“ und meinem schriftstellerischen Anspruch geschuldet, als der ureigentlichen buddhistischen Übung, die an dieser Stelle die Vertiefung und/oder die Handlung vorsieht. Solche Beiträge werden in der Beitragsliste unter dem Menüpunkt „Schöne Augen“ (Sköne oke*2) gesammelt. Diese Beiträge können als Ergebnis eines längeren Erkenntnisprozesses angesehen werden. Die Erkenntnisse werden von mir in diesen Beiträgen eher lyrisch und gefällig verpackt.
Die wichtigste Aufgabe in dieser Übung ist es, sich im Verlaufe des Prozesses so lange wie möglich einer Bewertung zu enthalten. Auf diese Weise soll ein Urteil, wenn es dann tatsächlich benötigt wird, so gut wie möglich durch Beobachtung begründet sein.
Die einzelnen Texte in der GlotzBox werden sich in den meisten Fällen nicht eindeutig einer der oben genannten Phasen der Übungen zuordnen lassen. Viel mehr werden sich Zeugnisse einer oder mehrerer Phasen in jedem einzelnen Beitrag finden. Ich hoffe, meine Sprachfertigkeit ist dafür ausreichend, die Inhalte meiner Reflexionen transparent zu machen und zugleich auch unterhaltsam zu bleiben. Sollte ich diesem Anspruch nicht immer gerecht werden können, bitte ich den geneigten Leser um seine Nachsicht und sein Wohlwollen: Die GlotzBox ist halt zuerst und vor allem ein Übungsprotokoll, – wenn auch ein öffentliches.
Im übrigen halte ich mich bei der Gestaltung dieses Blogs an William Kingdon Clifford, der 1876 in seinem Vortrag „The Ethics of Belief“(*3) die Frage stellte, wann es „ein Recht zu glauben“ gibt. Er forderte die Verantwortung für jeden Glauben, den Aufwand einer gewissenhaften Prüfung vor jedem Glauben und die Verantwortung für die aus einem Glauben heraus entstehenden Handlungen ein und er bezog in diese Verantwortung auch jede öffentliche Äußerung mit ein. Unter Anerkennung der cliffordschen Forderungen will ich deshalb in diesem Blog nur solche Texte veröffentlichen, für deren öffentlichen Inhalt ich nach eingehender Prüfung die volle Verantwortung übernehmen kann. – An dieser Stelle möchte ich Sie bitten, auch Ihre Kommentare einer entsprechenden Prüfung zu unterwerfen.
Wenn meine Texte, die ich hier in unregelmäßiger Folge sammeln werde, dem einen oder anderen zur Freude, zur Unterhaltung oder sogar Anregung gereichen, dann würde mich das freuen und ich werde Ihre Kommentare und Anregungen gerne empfangen.
Es grüßt Sie freundlich
Karl „Carlo“ Fisch
(*1) Beispiel: Die Notstandsgesetzte der 60er Jahre waren auch für Rudi Dutschke in der nachträglichen Bewertung jener Zeit ein nicht vorhergesehenes Ergebnis der studentischen Selbstdarstellung, die einem Großteil der Bevölkerung bedrohlich erscheinen musste und die Menschen in die Arme der konservativen Demagogen trieb.
(*2) „Sköne oke“ bezieht sich mit einem Augenzwinkern bewusst auf die Geschichte „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann; ich verweise diesbezüglich auf die Ausführungen zur Interpretation bei Wikipedia.
Augen gelten sowohl als „wichtigste(s) Sinnesorgan des Menschen“ als auch „als Spiegel der Seele“. Das bedeutet, dass anhand der Augen die Menschlichkeit erkannt werden kann. Das Auge ist „das Organ des Lichtes und der Bewußtheit“, weil die Welt wahrgenommen und ihr somit Realität gegeben wird. […] Aus diesem Grund gelten die Augen „als Metapher für Erkenntnis schlechthin“.
(*3) Das Essay von William K. Clifford wurde erst 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung in England in die deutsche Sprache übersetzt und erst 12 Jahre nach der Übersetzung von einem Verlag gedruckt. Eine Diskussion über „die Ethik des Glaubens“ war in jenen Tagen in Deutschland genau so verwerflich und ketzerisch wie in England. Das Thema war aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der gesellschaftlichen und sozialen Perspektive heraus purer Sprengstoff. Mit der Kernfrage seiner Ausführungen, „dürfen wir glauben“, installierte Clifford in jedem Menschen eine ethische Instanz und einen absoluten Maßstab für jeden Glauben und für dessen öffentliche Äußerung. – Das Thema erscheint mir heute, im Zeitalter der individuellen Massenkommunikation und digitalen Sozialisierung, mindestens so wichtig, wie vor 130 Jahren: Verantwortung für den Glauben, für die Handlung und das Wort.