Katastrophisierte Klimapolitik
29 Juli 2021
Ansicht von Carlo Fisch in Gesellschaftsordnung, Globalisierung, Politik, Werte und Normen
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Zusammenfassung
Nach der Flutkatastrophe denken Alle über einen radikalen Wandel in der Klimapolitik nach. Aber gibt es die überhaupt, "die Klimapolitik"? Machen wir tatsächlich "Klimapolitik" und machen wir in Zukunft tatsächlich mehr und bessere "Klimapolitik"? - Ich hoffe nicht!
Schlagworte
Bundestagswahl, Katastrophe, Klimapolitik, Klimawandel, Marktwirtschaft, Sachkompetenz, Schulpolitik, Sozialpolitik, Staatsziele, Volkswirtschaft, Wahlprogramm
Inhalt
Menschliche Strategien.
Durch den medialen Overkill wird überall katastrophisiert, – leider weniger im medizinischen, als im kommerziellen Sinne. Für die erste Form hätte es etablierte Behandlungsmethoden gegeben, die zweite Form aber kennzeichnet eine Krankheit, die die gesamte Menschenwelt befallen hat: Das komplizierte große Wichtige wird durch Vereinfachen und Verharmlosen, durch Schablonisieren und Banalisieren klein, griffig und beherrschbar gemacht.
Dadurch haben sich allgemein Denkweisen etabliert, die die Ursachen und die Wirkungen der Katastrophen unserer Tage verzerren, um sie für einfache Überschriften und griffigen Schlagworte geeignet zu machen. Plötzlich scheinen erstaunlich pragmatische Lösungskonzepte jedes Wahlprogramm zu zieren, sind aber, bei genauer Betrachtung, doch nur Neuauflagen der alten verstaubten Sprüche, die seit 45 Jahren regelmäßig aus den Schubfächern der Parteistrategen gekramt werden, um anschließend wieder darin zu verschwinden.
Gibt es DIE Klimapolitik?
Nach der Flutkatastrophe denken Alle über einen radikalen Wandel in der Klimapolitik nach. Aber gibt es die überhaupt. Gibt es EINE homogene Klimapolitik. Machen wir tatsächlich „Klimapolitik“ und machen wir in Zukunft tatsächlich mehr und bessere Klimapolitik? Wird hier nicht wieder eine einseitige Sicht erzeugt, die die wirklichen Aufgaben unsichtbar werden lässt, bevor sie entdeckt wurden? Wird hier nicht wieder eine einseitige Sicht mit einer plakativen Überschrift versehen und dadurch eine völlig falsche Vorstellung von der tatsächlichen Agenda erzeugt? Wird durch diese Sicht auf die Dinge nicht auch erneut eine falsch Vorstellungen in den Köpfen der „Täter“ und in den Köpfen der Beobachter erzeugt, die zu falschen Wertvorstellungen, zu falschen Bewertungskriterien und zu falschen Verhalten führen muss, weil alles unter einer Überschrift passend gemacht wird, auch wenn es überhaupt keinen Sinn macht.
Klimapolitik wird in diesen Tagen plakativ. Sie wird plakativ und scheinbar maßgeblich, obwohl sie bisher nur sinnentleerte Schlagworte transportiert, beinahe wie die Gender-Diskussion und die E-Auto-Agenda, die Bad-Bank-Inititiven von 2007 und die „Einwanderungswelle“ von 2015, gemacht aus Flüchtlingen und christlicher Nächstenliebe. Die Klimapolitik wird auf diesem Wege zu einer alles umfassenden Norm für politische Äußerungen und politische Entscheidungen und zu einem neuen Monster, dem nicht widersprochen werden darf, weil es ansonsten die Argumente frisst, die nicht zur Norm passen, und die Vertreter dieser Argumente gleich mit. So wird Klimapolitik nur griffig. Funktionieren wird sie so nicht.
Tatsächlich funktioniert Klimapolitik ganz anders. Ernsthafte Klimapolitik ist zuerst Wirtschafts- und Sozialpolitik, ernsthafte Klimapolitik ist Raumordnung und Verbraucheraufklärung, Klimapolitik ist Steuerpolitik und Staatsaufbaupolitik.
Ernsthafte Klimapolitik ergibt sich durch die Arbeit in ganz vielen Sachgebieten. Sie ergibt sich in diesen Sachgebieten nicht allein durch eine neue Bewertung der Aufgaben, sondern vor allem auch durch eine neue Bewertung der Lösungsvorschläge und Arbeitsergebnisse. Ernsthafte Klimapolitik kann deshalb keine schnellen Lösungen und Erfolge haben, wenn sie nachhaltig sein soll. Sie muss sich normativ im Handeln der Weltbevölkerung zeigen oder sie wird scheitern. Deutschland allein kann nicht genügend Kohlekraftwerke abschalten, um die Folgen auszugleichen, die das globale Bevölkerungswachstum für das Klima hat. Lösungen müssen also anders aussehen und deshalb auch anders diskutiert und anders etabliert werden.
Neue Staatsziele?
Ernsthafte Klimapolitik braucht andere Staatsziele und eine breite Diskussion über neue und bessere gesellschaftliche Werte. Ernsthafte Klimapolitik braucht ein in der Bevölkerung verbreitetes Wissen über die physikalisch-technischen Zusammenhänge, ein Wissen, aus dem individuelle Verantwortung und Mitarbeit gewonnen werden kann. Zuletzt kann Klimapolitik niemals regional oder national aufgestellt sein. Ohne eine Berücksichtigung der „globalen Konkurrenzsituation“ wird aus einem Industriestaat mit einer extremen Außenhandelsverflechtung, wie es Deutschland beispielsweise ist, kein Bauernstaat werden können. So ist die dringlichste Anforderung an jede sinnvolle Klimapolitik zuerst, dass sie sozialverträglich sein muss, wenn sie nachhaltig und ohne Hungertote in den Singlewohnungen der Spezialisten wirken soll. Es ist schon bemerkenswert, dass genau dieser letzte und wichtigste Aspekt von „Klimapolitik“ in den meisten Wahlprogrammen und in den meisten feurigen „Klimapolitikreden“ der letzten Zeit völlig vergessen wurde. Wenn aber Klimapolitik eine Politik der Privilegierten wird, dann wird sie die Spaltung der Gesellschaft antreiben und beschleunigen und zuletzt genau deshalb scheitern.
Wer die Klimapolitik, die heute mit ambitionierten Stichworten in die Wahlprogramme geschrieben wurde, ernsthaft betreiben will, der muss zuerst aufhören, die Volkswirte ständig zu Erfüllungsgehilfen für die Ziele der Betriebswirte zu machen und damit zu degradieren und er muss die Inhalte in der Ausbildung drastisch verändern. Brauchen diese beiden Aufgaben zu lange oder misslingen sie, wird „Klimapoltik“ schneller zu einer abgedroschenen Phrase, als der*die nächste deutsche Kanzler*in sich zur Wiederwahl stellen wird.
Beinahe jeder sechste Mensch auf dieser Erde lebt in einem Elendsviertel, in dem Armut, Krankheit und Diskriminierung herrschen. „Klimapolitik“ muss deshalb auch Armut bekämpfen und Reichtum begrenzen.
Alte Hüte!
Das alles ist seit spätestens Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunders und damit seit sicher 40 bis 50 Jahren ein allgemein bekanntes Wissen – und so lange auch schon verdrängt und ohne wirkungsvolle politische Vertretung geblieben. Und es wird so bleiben, solange der Erfolg von Volkswirtschaften national und in Konsumklimazahlen gemessen wird und nicht in Kennzahlen für die „globale Lebenqualität“.
Was also wollen die „Klimapolitiker“ der Zukunft anders machen, um erfolgreicher zu werden? Sie schweigen vor der Wahl nicht nur, weil sie wählbar erscheinen wollen. Sie schweigen auch, weil sie es nicht wissen, was sie anders besser machen können, um „Klimapolitik“ erfolgreich zu machen.
Lasst Euch also nicht vom grünen Geschwätz der Parteien vor der Wahl beeinflussen. Funktionierende klimapolitische Konzepte werden nicht in Wahlprogrammen und auch nicht in Parteiprogrammen geboren.
Ministerielle Staabsstelle?
„Klimapolitk“ braucht einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, der die Parteigrenzen überwindet und die Legislaturperioden über Generationen hinweg. Deshalb macht die „Klimapolitik“ den Parteipolitikern unserer Tage so viel Angst. Klimapolitische Konzepte sind geeignet, parteipolitische Strategien wirkungslos zu machen, klimapolitische Konzepte sind geeignet die reinen Parteipolitiker zu entmachten und ein neues strenges Prüfregiment des Bürgers zu etablieren.
Parteistrategen ohne Sachkompetenz in den Fachbereichen werden mit Sicherheit nicht die erfolgreichen „Klimapolitiker“ der Zukunft werden, auch wenn sie noch so schön grün reden und aus dem dunklen Wald heraus rufen.