Zusammenfassung

Die Pandemie ist eine Katastrophe nicht nur für die Menschen, die am Corona-Virus erkranken und für die Angehörigen der Erkrankten und für die, die sich davor schützen wollen, am Virus zu erkranken, die Krise ist auch unabhängig vom Virus eine Katastrophe für unser Bewusstsein und unser Gemüt, allein schon wegen der oft undurchsichtigen Nachrichtenlage.

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Corona-Nachrichtenlage

In diesen Tagen gibt es mehr Nachrichten, als es Neuigkeiten gibt. Im Sekundentakt lassen wir uns die Nachrichten um die Ohren prügeln, immer in der Hoffnung, etwas Positives zu erfahren. Tatsächlich aber bleiben die Neuigkeiten spärlich und triefen uns tröpfchenweise aus allen Medien ins Hirn und ins Gemüt, unaufhörlich und mit bleibendem Einfluss.

Die Pandemie ist eine Katastrophe. Sie ist eine Katastrophe für die Menschen, die erkranken und für ihre Angehörigen. Die Pandemie ist eine Katastrophe für unsere Wirtschaft, für unser Selbstverständnis und unser Weltbild. Sie ist aber auch eine Katastrophe für unsere Seele, für unser Bewusstsein und für unser Gemüt – und das nicht zuletzt auch deshalb, weil uns die unklare Nachrichtenlage immer wieder verunsichert.

Das Corona-Virus verändert in diesen Tagen unsere Welt. Das ist uns allen klar. Es verändert unser Weltbild und unser Bild von uns selbst. Wir finden uns ausgeliefert und angreifbar, ungeschützt und wehrlos, machtlos gegenüber Naturgewalten, über die wir noch nie ernsthaft und konsequent nachgedacht haben. Welche Folgen diese kollektive und globale Erfahrung für jeden Einzelnen von uns, aber auch für unser menschliches Kollektiv insgesamt haben wird, das ist noch nicht absehbar.

Das Corona-Virus verändert unsere Welt. Es verändert unsere Welt auch durch die Art, wie wir mit den Nachrichten umgehen, die wir erhalten, während wir in sozialer Isolation leben.

Die Nachrichten, die wir erhalten, während wir in sozialer Isolation leben, sie sind viel mächtiger und wirkungsvoller, als in normalen Zeiten, in denen unser soziales Umfeld für jede Nachricht ein Gegengewicht liefern kann. Die vielen Hersteller und Sender der Nachrichten dieser Tage werden dieser besonderen Verantwortung oft nicht gerecht. Die wenigsten sind sich wohl dieser großen Verantwortung bewusst.

Bei dieser Lage der Dinge drängt sich die Frage auf, ob es unter den aktuellen Bedingungen nicht sinnvoller wäre, einem einzigen zentralen und ursprünglichen Nachrichtenmedium zu vertrauen und sich ausschließlich nur noch dort zu informieren. – Aber wer kontrolliert dann die Nachrichteninhalte und deren Qualität, wer kontrolliert dann dieses Zentralmedium? In Zeiten konkurrierender kommerzieller Medien ist eine solche Strategie undenkbar und sie wäre wohl auch gefährlich. Leider wird das Geld heutzutage nur noch durch Nachricht verdient und nicht durch Relevanz. Allerdings zeigt sich in unseren Tagen, dass eine gefährliche Einseitigkeit aufzuwiegen ist mit einer gefährlichen Vielseitigkeit. Die konkurrierenden Medien finden konkurrierend Nachrichten im Minutentakt und vermarkten Nachricht möglichst wirkungsvoll. Dabei wird der Nachrichteninhalt zunehmend marginal. Nachricht ist nur noch Ware und durch die Menge der Nachrichten inflationär. Der Nachrichtenhunger der Welt führt zu einer Nachrichtenflut, die in Zeiten von Corona gefährliche Eigenschaften entwickelt (…)

Was als ein Strom nützlicher Informationen begann, hat sich inzwischen in eine Sturzflut verwandelt.“

Neil Postman, †10.2003,
US-amerikanischer Professor für
Kommunikationswissenschaft und „Medien-Ökologie“

„Die vierte Gewalt“ ist zu einem Investitionsobjekt verkommen und kann deshalb ihre gesellschaftliche Aufgabe nicht mehr erfüllen. Einer jeden Nachricht gegenüber müssen wir mit Misstrauen begegnen und haben doch eigentlich gar keine Zeit dafür, keine Kraft und keine Methode. Die Nachrichtenlage bleibt deshalb vorwiegend intransparent, obwohl wir noch nie so viele Nachrichten erhielten, wie heute.

Uralte philosophische Fragen werden plötzlich wieder relevant, waren es ja vielleicht immer, waren nur verdrängt und vergessen und sind nun wieder ins Bewusstein gerückt, vielleicht wichtiger denn je zuvor: Wer kontrolliert die Nachrichten in Zeiten der Corona-Pandemie?

Legislative, Exekutive und Bürger verlieren die Orientierung allein durch die schiere Menge der Nachrichten, die sich nicht selten sogar widersprechen, nicht selten auch allein nur deshalb widersprechen, weil die natürliche Trägheit, die jedem Medium zu eigen ist, verschiedene Zeiträume bestimmt, die als aktuell betrachtet werden. Das Internet will schneller sein als das Staatsfernsehen, das Privatfernsehen will sich durch investigativen Journalismus profilieren und kommt meistens zu spät, genauso zu spät wie die Printmedien. Auch sie kommen eigentlich immer zu spät und können nur noch das Tagesgeschehen protokollieren.

Wer kontrolliert die Nachrichten, die die Menschen allein schon durch ihre schiere Menge unfrei machen und bedrücken? Die Aufklärung, die bürgerliche Befreiung und die Demokratisierung des menschlichen Zusammenlebens haben über die letzten 200 Jahre offenkundig für viele alte Fragen keine neuen Antworten und keine stabile Lösung gebracht. Die kapitalistische Globalisierung und globale Vernetzung haben der Menschheit nicht wirklich genützt. In diesen Tagen erkennen wir, dass das, was wir lange Zeit für einen Fortschritt hielten, nur die Menge der Menschen vergrößert hat und deren Produktivkraft, dass es aber kaum zu einer stabilen Verbesserung der Lebensqualität beigetragen hat.

Schlussendlich ist das menschliche Zusammenleben heute genauso fragil und genauso dominiert von eben den gleichen Bürokraten und den gleichen Juristen und ihren ewig gleichen Methoden, die das Menschenleben auch schon vor 200 Jahren beherrschten und vor 2000 Jahren beherrschten und wahrscheinlich schon so lange beherrschen, wie Mensch sich sozialisiert.

Wird uns diese Erkenntnis nach Corona erhalten bleiben? Werden wir sie nutzen können, um entscheidende Änderungen für unser Zusammenleben zu finden und für unseren Umgang mit den Nachrichten, Änderungen, die allen Menschen gleichermaßen gut tun?

Die vielen Nachrichten, die zeitversetzt über die vielen Kanäle unserer Tage doch immer wieder nur das Gleiche berichten, sie tun uns nicht gut. Die vielen Nachrichten helfen seltener, als sie wiederholt werden. Irgendwann wollen wir sie deshalb nicht mehr hören und überhören dann auch das Wichtigste: Wir überhören die Stimme in uns selbst, die ruft: „Hurra, wir leben noch und haben Hoffnung!“

Du weißt, dass etwas schief läuft in deinem Leben, wenn dich die wichtigen Nachrichten nicht mehr erreichen, weil die vielen unwichtigen Nachrichten (und ihre Wiederholungen) deinen Tag ausfüllen.

Unsere Welt wird nach dem Virus für uns alle eine andere sein. Das ist sicher. Wie sich aber unsere Welt in diesen Tagen verändert, dass bestimmen vor allem wir selbst!

Passt also auf euch auf, bleibt gesund und seid wachsam!

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