Zusammenfassung

Neulich beim Kardiologen: Wenn die einfachsten Fragen schon zur Überforderung des hoch effizienten und hoch spezialisierten medizinischen Personals führen, dann wird das Gesundheitssystem lebensbedrohlich ...

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Höflich und freundlich glaubt sie zu sein und meistens gelingt es ihr auch. Nur wenn ein Patient nörgelt und nicht funktioniert, dann kann sie schon einmal ihre Macht zeigen. Schließlich „schallt es aus dem Wald, wie es rein ruft“, weiß sie ihre Patienten zu unterrichten, wenn diese eine Frage stellen, die nicht in dem lange geübten Antwortenkatalog enthalten ist.

Solche Patienten, die unvorhergesehene Fragen stellen, die muss sie gleich kalt stellen oder mit ein wenig Schikane aus der Praxis vertreiben, denn die machen nur Probleme. Solche Patienten stören den reibungslosen Praxisverkehr, die hoch effizienten Abläufe, in denen keine Zeit mehr ist, über die Antwort auf eine unvorhergesehene Frage nach zu denken. Fragen haben entweder eine schnelle und präzise Antwort, die keine weitere Erwägung braucht, oder die Frage ist falsch. Die Frage ist am falschen Ort oder an die falsche Person oder in der falschen Situation gestellt und sie verdient deshalb keine Antwort. Solche Fragen kennzeichnen den Querulanten: Organisatorische Fragen hat der Patient nicht zu stellen und in medizinischen Fragen ist der Patient sowieso nicht genügend bewandert, um die Antworten zu verstehen.

Überhaupt ist es doch eigentlich eine Frechheit von den Patienten, den hoch effizienten Praxisbetrieb durch Fragen auszubremsen. – Oder sind die Fragen vielleicht sogar Ausdruck eines grundsätzlichen Zweifels an der Institution Arzt? Solche Scheinkranke und Simulanten können wir schon gar nicht brauchen in unseren hoch optimierten medizinischen Einrichtungen und Praxisbetrieben. Sie behindern nur die Produktivität.

Wichtig ist nur, dass der Patient funktioniert und den Praxisbetrieb nicht aufhält. Das sagt der Doktor-Chef seinen Mitarbeiterinnen regelmäßig. Und sie, sie hält sich an diese Vorgabe ihres Chefs, der Patientenfragen auch eher ungern nur beantwortet. Im Zweifelsfall weiß sie ihren Chef und ihre Kollegen hinter sich und das verleiht ihr nicht nur das Gefühl der Sicherheit sondern auch die Macht, um dem alten Mann in den Praxisräumen eines Herzspezialisten einmal so richtig Bescheid zu sagen, was sie von seinen Fragen hält. „Es schallt halt aus dem Wald, wie es rein ruft“, meint sie.

Der Patient bedankt sich nicht. Dafür fehlt ihm die Luft. Kurzatmig und nur mühevoll verlässt er gemeinsam mit seiner Frage die Praxis des Herzspezialisten und stirbt nach wenigen Metern auf der Straße, – zum Glück auf der Straße.

Sie aber ist stets bemüht, höflich und freundlich zu sein, – in der Praxis eines Herzspezialisten, wenn sie nicht gerade überfordert ist und aberwitzig vorlaut, in der Praxis eines Herzspezialisten.

Hohl ist das Echo aus dem Wald in ihrer Birne.
 
 

Anmerkung: Der Kardiologe kann nur das behandeln, was er messen kann? – Menschlichkeit und Freundlichkeit kann man nicht messen. Ist das vielleicht der Grund, weshalb man sie nur selten bei Kardiologen findet, genauso wenig wie Antworten auf die eigenen Fragen?

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